Kann ich meine eigene Zielgruppe sein?
In diesem Beitrag gehe ich auf eine Situation ein, die ich bei Selbständigen und Solo-Unternehmern öfters sehe – Du bist selbst Deine eigene Zielgruppe bzw. Du richtest Dein Angebot an Dein früheres Ich.
Ich erkläre Dir, warum das eine gute Idee mit vielen Vorteilen sein kann, warum Du aber auch sehr genau aufpassen solltest. Bei dieser Strategie gibt es Risiken, die Du berücksichtigen solltest.
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Warum nehmen Unternehmer sich selbst oder das frühere Ich als Zielgruppe?
Die eigene Zielgruppe zu definieren, gut zu verstehen und zu beschreiben, das ist essenziell, wenn Du erfolgreich Produkte entwickeln und Marketing machen willst. Es ist aber auch ganz schön schwer – gerade, wenn man noch eher am Anfang steht und noch nicht so viele eigene Kunden hat, an denen man sich orientieren kann.
Da wundert es mich nicht, dass ich immer mal wieder Zielgruppenbeschreibungen oder Buyer Personas gezeigt bekomme, in denen der Unternehmer oder die Unternehmerin quasi sich selbst mit der kompletten eigenen Geschichte beschrieben hat.
Viele Geschäftsideen für eine Selbständigkeit entstehen ja aus einer persönlichen Lebenserfahrung. Da war man selbst in einer bestimmten Situation, hätte eine Lösung gebraucht und hat sie nicht gefunden. Oder man hat sie gefunden und war so dankbar dafür, dass man diese Erfahrung nun weitergeben will.
Dagegen ist nichts einzuwenden. Es ist dann auch ganz logisch, dass diese Unternehmer sich bei der Zielgruppe an sich selbst bzw. ihrem früheren Ich orientieren.
Die Frage ist nur, ist das wirklich ein guter Ansatz, dass Du selbst oder Dein früheres Ich Deine eigene Zielgruppe bist?
Im Deutschen gibt es da ein schönes Wort, was die perfekte Antwort ist:
Jein.
Warum Du selbst Deine eigene Zielgruppe sein darfst – Die Vorteile
Fangen wir mal dem Ja-Teil an – Warum es ein guter Weg sein kann, dass Du selbst Deine Zielgruppe bist.
Es ist keine schlechte Idee, Angebote und eine Geschäftsidee aus einer früheren Lebenserfahrung heraus zu entwickeln. Wenn Du damals vor einem Problem oder einem Vorhaben standest und für Dich keine vernünftige Lösung gefunden hast, dann stehen die Chancen gut, dass es anderen genauso geht.
Man sagt nicht umsonst „Jedes ungelöste Problem ist eine Produktidee“.
Du sprichst dann mit Deiner Lösung diese anderen Menschen an, denen es genauso geht.
Damit bist Du oder besser Dein früheres Ich praktisch automatisch Teil Deiner Zielgruppe.
Das hat Vorteile:
- Du kannst Dich natürlich wunderbar in Deine Zielgruppe hineinversetzen. Du hast das ja schon durch.
- Das gibt Dir automatisch sehr viel Glaubwürdigkeit.
- Dieser Ansatz „Wenn ich das geschafft habe, dann schaffst Du das auch“ ist extrem stark und positiv. Das sollte man nutzen
- Du hast damit einen tollen Ansatz für Content- und Produktentwicklung. Du kannst immer von den Fragen ausgehen
Was hätte ich damals besser wissen sollen?
Welchen Rat würde ich meinem früheren Ich heute geben?
Was hätte mir damals wirklich geholfen?
Über welche Informationen hätte ich mich damals gefreut?
Also ja, es kann Dich einen großen Schritt voranbringen, wenn Du beim Verständnis Deiner Zielgruppe auf Deine eigenen Erfahrungen zurückgreifen kannst.
Dein früheres Ich als Zielgruppe – Die Risiken
Trotzdem ist dieser Ansatz nicht ganz ohne Risiken. Er kann Dich leicht auf einen falschen Weg führen. Deshalb solltest Du Dich nicht so ganz auf Dein früheres Ich als Zielgruppe versteifen.
Bist Du heute erfahrener als Deine Zielgruppe?
Ich sehe da eine Grundvoraussetzung, damit dieser Ansatz überhaupt funktioniert.
Was immer Dein früheres Ich für ein Problem oder Ziel hatte – Du musst heute einen großen Schritt weiter sein. Du musst das Problem gelöst oder das Ziel erreicht haben – mindestens musst Du deutlich weiter sein, als Deine heutige Zielgruppe.
Die Leute wollen doch sehen, dass das Problem lösbar ist. Wie sollen sie Dir denn zutrauen, dass Du ihnen weiterhilfst, wenn Du noch in genau dem gleichen Schlamassel drinsteckst?
Du musst sagen können „Wenn ich das geschafft habe, dann schaffst Du das auch. Ich zeige Dir, wie.“
Bist Du repräsentativ für Deine Zielgruppe?
Wenn Du von Dir ausgehst, dann vergiss nicht – Du bist eine einzige Person. Du bist ein einzelner Datenpunkt. Das ist, als ob Du eine Umfrage zu den Problemen Deiner Zielgruppe machst, darauf eine einzige Antwort bekommst und auf der Basis ein Produkt entwickelst.
Dass es Dir damals genau so ging und dass Dir genau dieser Weg geholfen hat, das heißt nicht automatisch, dass das bei anderen genauso ist.
Ich halte es für extrem wichtig, dass Du Dich – zumindest als Realitätscheck – ein Stück weit von Deinem früheren Ich löst. Prüfe bitte unbedingt, ob es mehr Menschen gibt – die in einer ähnlichen Situation sind, wie Du damals. Haben diese Menschen ähnliche Erfahrungen gemacht und haben sie ähnliche Erwartungen?
Das Risiko ist, dass Du Dich zu sehr auf genau Dein früheres Ich fixierst und damit an einer vielleicht sogar an einer erfolgversprechenden Zielgruppe vorbeiläufst.
Das heißt, ja, Du kannst Dich an Dir selbst und Deinen Erfahrungen orientieren. Das erspart Dir aber nicht die Arbeit einer ordentlichen Zielgruppenanalyse. Sorry.
Würde Dein früheres Ich von Dir kaufen?
Du hast diese beiden Punkte erfolgreich für Dich geklärt:
- Du bist heute schon weiter als Dein früheres Ich und kannst deshalb auch anderen Menschen sicher den Weg zeigen.
- Du bist Dir ganz sicher, dass es mehr Menschen in einer ähnlichen Situation gibt und dass Du die ansprechen kannst.
Dann nutzt Du jetzt bitte mal Dein früheres Ich als Realitätscheck.
Stelle Dir bitte diese Fragen und beantworte sie für Dich ganz ehrlich:
- Hätte Dein früheres ich damals diese Leistung, die Du jetzt anbieten willst, gekauft?
- Wirklich?
- Wieviel Geld hätte Dein früheres Ich dafür ausgegeben?
- Hast Du damals überhaupt Geld für eine Lösung ausgegeben?
Die Helfer-Falle
Es gibt nämlich noch ein großes Risiko, wenn Du Dein früheres Ich zu Deiner Zielgruppe machst. Das tritt besonders auf, wenn Du durch eine für Dich sehr schwere Zeit gegangen bist:
Du kannst Dich so extrem stark in diese Menschen hineinversetzten, dass Du ihnen unbedingt helfen willst. Du bringst es nicht übers Herz, sie ohne Hilfe wieder gehenzulassen. Auch und gerade wenn Du merkst oder denkst, dass bei ihnen das Geld knapp ist.
Damit gerätst Du in eine Helferrolle und das strahlst Du unbewusst aus.
Das große Risiko ist, dass Du Menschen anziehst, die dankbar Deine Hilfe annehmen wollen, aber nicht bereit sind, dafür Geld auszugeben.
Wenn Du Dich jetzt wiedererkannt hast, dann mach Dir glasklar, dass Du all diesen Menschen nur helfen kannst, wenn Du selbst Geld verdienst und damit überhaupt im Business bleiben kannst.
Du bist Unternehmer. Alles andere ist soziales Engagement. Das ist lobenswert, aber es füllt Dir nicht den Kühlschrank.
Deine Zielgruppe können immer nur Menschen sein, die bereit sind, für Deine Leistung Geld auf den Tisch zu legen.
Wenn Du Dein früheres Ich als Zielgruppe nimmst, pass bitte unbedingt auf, dass Du nicht in diese Helfer-Falle hineingerätst.
An der Zielgruppenanalyse führt kein Weg vorbei
Du hast gesehen, es kann ein richtig guter Ansatz sein, wenn Du Angebote entwickelst für Menschen, die in der gleichen Situation sind wie Dein früheres Ich. Du weißt dann automatisch sehr viel über Deine Zielgruppe und bist extrem glaubwürdig.
Du solltest aber trotzdem Deine Zielgruppe sehr genau untersuchen. Sogar gerade deswegen. Pass bitte auf, dass Du nicht zu sehr von Dir auf andere schließt. Sprich Menschen an, die die ähnlich sind, nicht die exakt wie Du sind.
Pass vor allem auf, dass Du eine zahlungswillige Zielgruppe ansprichst. Da bin ich bei meinen Kunden inzwischen sehr hinterher, dass sie sich darüber im Klaren sind.
Um die Zielgruppenanalyse kommst Du nicht herum. Deshalb ist sie auch bei nahezu allen meinen 1:1-Kunden in unserer Zusammenarbeit zum Positionierung erarbeiten mit enthalten.
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