So haben auch Nicht-Aufräum-Typen einen ordentlichen Arbeitsplatz
Podcast mit Transkript zum lesen
Shownotes
In dieser Episode berichte ich, wie ich erfolgreich und dauerhaft das Chaos auf meinem Schreibtisch in Griff bekommen habe, obwohl ich überhaupt kein Aufräum-Typ bin.
Ich nenne dieses System „Kramstapel-Prinzip“. Später habe ich dann zufällig entdeckt, dass es dazu sogar Studien gibt. Ich habe es jetzt also sogar wissenschaftlich bestätigt, dass ich mich mit einem einzigen großen Ablagestapel sehr effizient organisiere.
Wie und warum das geht, das erfährst Du in dieser Episode.
(Transkript siehe unten)
Im Podcast erwähnt:
- Research Paper „Email overload: exploring personal information management of email“
- Studie „The character, value, and management of personal paper archives“
- Studie „Am I wasting my time organizing email? A study of email refinding“
Transkript
Ich muss mich an dieser Stelle outen:
Ich liebe Ordnung, aber ich hasse Ordnung halten.
Sachen gleich oder später an Ort und Stelle räumen, das ist einfach nicht mein Ding.
Ich habe deswegen lange ein schlechtes Gewissen gehabt. Man soll ja immer schön ordentlich sein. Und auf meinem Schreibtisch konnte man zeitweise kaum noch die Tischplatte erkennen.
Dabei bin ich eigentlich ein Leertischler. Ich arbeite viel lieber an einem fast leeren Schreibtisch, auf dem nur ein Schmierzettel für Notizen und ein paar Stifte liegen.
Trotzdem wollte sich dieser Zustand bei mir einfach nie lange halten.
Nur ein Ablagestapel als Ordnungssystem
Immerhin ist es mir mit der Zeit gelungen, das Chaos auf einige wenige Stapel zu beschränken. Die habe ich dann irgendwann zu nur noch einem großen Stapel zusammengeführt.
Da kam einfach alles drauf. Das schaffe sogar ich.
Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass ich nie mehr Probleme hatte, irgendwelche Unterlagen zu finden. Es gibt ja nur noch einen Ort, wo ich suchen muss – meinen Kramstapel. Der hatte sogar ganz automatisch eine innere Ordnung angenommen:
Wenn Du immer nur etwas obenauf legst, liegen automatisch die älteren Sachen unten und die neueren, die Du wahrscheinlich noch öfter brauchst, sind oben.
Heute ist das mein Ordnungssystem. Es besteht aus nur 3 Regeln, die sogar ein Nicht-Aufräumer wie ich einhalten kann:
- Es gibt nur einen einzigen Stapel.
- Es wird immer nur obenauf gelegt.
- Wenn ein Stück Papier für länger als 2-3 Tage auf meinem Schreibtisch liegt, wird es entweder weggeworfen, oder kommt auf den Kramstapel.
Alle 2 – 3 Jahre wird der Stapel gesichtet. Dann kann ich das Meiste getrost wegwerfen. Der Rest wird entweder doch in Ordner gelegt – Versicherungsunterlagen und sowas – oder er bleibt als Grundstock im Kramstapel.
Das funktioniert prima.
Damit mein Schreibtisch auch wirklich schön leer aussieht, ist der Kramstapel übrigens auf die Erde neben dem Schreibtisch umgezogen. Da kann er sich anlehnen und stört niemanden.
Der Kramstapel als Ordnungssystem funktioniert auch digital
Genauso funktioniert das bei mir auch digital – also mit Emails und in Evernote, wo ich inzwischen wirklich viel aufbewahre.
„Inbox Zero“ habe ich bei meinem einzigen Versuch vielleicht zwei Tage lang durchgehalten. Das ist nichts für mich. Stört mich auch nicht.
Ich habe auch Ordner in meinem Emailfach und benutze die auch. Die sind aber nur für die großen Themenfelder, die auch dauerhaft Bestand haben. Was dort hineingehört, sortiere ich auch gleich ein. Na ja, meistens.
Alles, was nicht in einen diese Ordner passt, wird gelöscht – da bin ich inzwischen schnell dabei – oder es bleibt im Posteingang. Da gilt wieder: es gibt nur einen Ort wo ich suchen muss. Da ist definitiv alles drin.
Wenn ich da zu detaillierte Ordnerstrukturen anlegen würde, dann müsste ich ständig überlegen, wo genau denn nun irgendwas hingehört. Ist die Anfrage besser bei „Kooperationen“ oder bei „Dienstleister diverse“ aufgehoben? Ich weiß doch heute noch nicht, was da mal draus wird.
In Evernote sieht es bei mir ganz ähnlich aus. Ich habe da zwar auch Notizbücher, aber gar nicht so viele. Und fast alle Notizbücher sind bei mir so eingestellt, dass sie nach Änderungsdatum sortiert sind. So sehe ich die zuletzt bearbeiteten Notizen immer gleich ganz oben. Und zum großen Teil sind das auch die, die ich jetzt wieder brauche. Die Ordner sortieren sich also genauso wie der Kramstapel von selbst.
The selected Optin Cat form doesn't exist.Wissenschaftliche Untersuchungen zum „Ordnungssystem Kramstapel“
Ja, mit diesem System lebe ich schon eine ganze Weile sehr zufrieden; aber immer noch mit einem kleinen schlechten Gewissen, weil ein Kramstapel eben nicht schön aufgeräumt ist.
Dann habe ich festgestellt, dass das Ganze auch schon wissenschaftlich untersucht wurde. Ich bin also offiziell rehabilitiert.
Und zwar hat sich da ein Herr Steve Whittaker in mehreren Studien der Sache angenommen. Ich verlinke die auch alle in den Shownotes.
Schon 1996 hat der ein Research Paper geschrieben „Email overload: exploring personal information management of email“.
Darin berichtet er, dass seine Studienteilnehmer mit ihren Ordnerstrukturen und Ablagesystemen ziemlich unerfolgreich waren, weil ständig Sachen in den Tiefen der Archive regelrecht untergingen. Die Wissenschaftler haben da zum Beispiel jede Menge Ordner gefunden, in denen sich nur ein oder 2 Mails fanden.
2001 hat Whittaker mit einer Kollegin noch eine Studie zu dem Thema erstellt. Darin schreiben sie von den zwei Typen Filers und Pilers: Eben die, die alles ordnen und ablegen und solche wie mich, die einfach stapeln.
Sie hatten eigentlich erwartet, dass die Filer kleinere Archive anlegen und damit effizienter arbeiten können. Das Gegenteil war der Fall. Tatsächlich haben die Filer viel mehr Papier angesammelt. Die legen viel zu viel in ihren Ordnern ab, auch wenn sie noch gar nicht wissen, ob sie die Informationen später noch brauchen. Die Stapler, die Piler, sammeln weniger an, greifen aber mehr darauf zu – auch weil sie schneller zu genau dem finden was sie gerade brauchen.
2011 hat Whittaker dann noch mit Kollegen ein Research Paper veröffentlicht das hieß „Am I Wasting My Time Organizing Email?“
Die Antwort ist JA.
Die meisten an der Untersuchung beteiligten Personen haben ihre Mails mit der Suche schneller gefunden als in einer ausgefeilten Ordnerstruktur.
Die Autoren schreiben – frei übersetzt „Personen, die komplexe Ordner anlegen sind dann auch auf die Ordner angewiesen, um Informationen wiederzufinden. Aber die ganze Vorbereitung dafür ist ineffizient und verbessert nicht den Erfolg beim Zugriff auf die Informationen“
Zusammenfassung
Eine ausgefeilte Ordner-Ablagestruktur – egal ob nun in Papierform oder digital – ist aus mehreren Gründen nicht so effizient wie der große Kramstapel:
- Es muss angelegt und gepflegt werden
- Es gibt immer wieder etwas Neues, das nicht in die bestehende Struktur passt. Dann muss erweitert werden. Wenn man nicht ganz genau aufpasst, gibt es Überschneidungen und Dopplungen. Dann wird es richtig schwer, etwas schnell wiederzufinden
- Auf Dauer funktionierende Kategorien sind einfach ziemlich schwer zu entwickeln.
- Außerdem gibt es noch das Problem der 1:1-Zuordnung.
In Evernote wird das regelmäßig bemängelt, dass eine Notiz eben nur in einem Notizbuch liegen kann. In Emailfächern und Aktenordnern im Regal wird das kommentarlos akzeptiert. Zuordnungsprobleme inclusive.
Es gibt Menschen, die kommen mit einer ausgefeilten Ordnerstruktur sehr gut klar. Wenn Du dazu gehörst, dann fühl Dich nicht verpflichtet, daran etwas zu ändern.
Wenn es Dir aber eher so wie mir geht, dann kann das Stapelprinzip für Dich eine gute Lösung sein. Du hast alles an einer Stelle. Neuere Sachen liegen obenauf, wo man sie auch schnell wieder greifen kann. Ältere, die in letzter Zeit kaum noch gebraucht wurden und offensichtlich nicht mehr so wichtig sind, wandern nach unten.
Und außerdem kann man ja auch ordentlich stapeln.
Angelika says
Ich bin so erleichtert!
Es gibt noch mehr Menschen, die die Ordnung lieben, aber nur schwer halten können, wenn es um den lästigen Papierkram geht.
Die „Kramstapel“-Methode beherrsche ich schon seit Jahren aus dem „Eff-Eff!
Nur das schlechte Gewissen kann ich mir jetzt sparen. Danke!
Dagmar Recklies says
So ging es mir auch. Nachdem ich den Kramstapel zum Ordnungssystem erklärt hatte, war das schlechte Gewissen weg.
Liebe Grüße
Dagmar
Birgit says
Danke für den Text.
ich bin (wie Eva ) richtig erleichtert, das zu lesen. Im Prinzip halte ich schon lange so „Ordnung“., aber mit schlechtem Gewissen
Mit jedem Versuch, meinen Papierkram in Ordnern oder anderen Ablagesystemen zu sortieren, ist das Chaos größer den je und ich finde immer weniger. Zumal auch die Stapel immer mehr werden
Viele Grüße Birgit
Dagmar Recklies says
Liebe Birgit,
die Erfahrung habe ich auch gemacht: Es ist eine große Erleichterung zu erkennen, dass auch eine Kramstapel eine Art von Ordung ist.
Liebe Grüße
Dagmar
Eva says
Da bin ich ja richtig erleichtert, dass nicht nur ich, das Problem habe, Dinge eindeutig zuzuordnen. Das ganze Leben besteht aus Entscheidungen, und die sind manchmal richtig schwierig zu treffen…. Und immer wieder „ordne“ ich meine Stapel in Ordner und Mappen, brauche unendlich viel Zeit dafür und finde hinterher weniger als vorher.
Ich gehe jetzt meinen Schreibtisch „aufräumen“ – 😏
Dagmar Recklies says
Ich glaube, es gibt da eine Hohe Dunkelziffer an Menschen wir uns 🙂
Ich habe entschieden, dass ich ein gewisses Maß an Chaos in meinem Leben akzeptiere – so lange es nicht zu viel wird.
Liebe Grüße und danke für Deinen Kommentar
Dagmar
Steffi Guentner says
Kramstapel ist wirklich ein tolles Wort 🙂 Musste sehr schmunzeln. Ich liebe und brauche Ordnung und kann alles bestätigen was da im Artikel steht.
Habe auch schon verschiedene Systeme ausprobiert um Ordnung zu halten und ich muss gestehen, das bei mir auch das Prinzip „Kramstapel“ am besten funktioniert.
Vor allem bei Emails ist es Wahnsinn, wenn man alle Ordner einzeln nach einer Information durchforsten muss – Kostet Zeit und Nerven….Keep it simple heißt es ja immer so schön.
Auch im Ordnungsbuch von Marie Condo wird empfohlen, eine Adresse für Dinge gleicher Art zu haben, was sich im Prinzip „Kramstapel“ ja auch wiederfindet 🙂
Herzliche Grüße
Steffi
Dagmar Recklies says
Hallo Steffi, vielen Dank für Deinen Bericht.
Es stimmt tatsächlich, je ausgekügelter das Ordnungssystem ist, umso schwieriger wird es zu entscheiden, was genau in welche Kategorie gehört.
Das Buch sehe ich mir mal an, danke für den Tipp