„Die ist sowieso nicht meine Zielgruppe“
Diesen Satz denken wir als Selbständige schon mal.
Damit geben wir uns implizit die Erlaubnis, uns um diese Person nicht weiter zu kümmern.
Natürlich ist das sinnvoll. Wir möchten schließlich die richtigen Menschen als Kunden gewinnen. Wir möchten uns und dem anderen die Zeit sparen, die sowieso zu nichts führen würde.
Es ist daher völlig okay, auf der Website sehr deutlich zu schreiben „Ich richte mich an B und nicht an C“. Dafür geben wir uns ja solche Mühe, unsere Zielgruppe zu bestimmen und zu verstehen.
Doch wie gehst Du damit um, wenn dann doch mal ein C bei Dir auftaucht und mit Dir arbeiten möchte?
In diesem Artikel möchte ich Dich für diese Situation sensibilisieren.
- Zuerst erzähle ich Dir eine wahre Begebenheit, in der mir jemand sehr deutlich signalisiert hat „Du bist nicht meine Zielgruppe“.
Und das hat sich auf der Empfängerseite nicht schön angefühlt. - Danach berichte ich, wie was ich tue, wenn doch ein C bei mir auftaucht – jemand, der auf den ersten Blick gar nicht meine Zielgruppe ist.
Doch zuerst das Negativbeispiel – Wie es sich anfühlt, nicht (mehr) zur Zielgruppe zu gehören
Herbstferien in Hessen. Wir haben wie jedes Jahr die Chance genutzt, noch einmal etwas Sonne auf Mallorca zu tanken.
Teil der Vorfreude ist unsere über die Jahre handkuratierte Liste an Lieblingsrestaurants. So stand natürlich auch wieder ein Besuch im Bellaverde auf der Liste, einem gehoben-familiären veganen Restaurant.
Die bisherige Wirtin – eine Deutsche – hat das Restaurant mit viele Liebe geführt. Sie hat nicht nur auf nachhaltige, lokale Produkte geachtet. Der Speisekarte zufolge war ihr auch wichtig, dass bei ihr jeder etwas findet.
Das ging bei uns immer sehr gut auf.
Der Mann liebte die Pasta mit frischen Trüffeln. Die Kinder – die der schöne englische Begriff Picky Eaters sehr gut beschreibt – waren mit zwei großen Portionen Pommes glücklich.
Ich war von den geräucherten Kartoffeln in Filoteig auf Roter Beete so unerwartet begeistert, dass ich sie jedes Jahr aß.
Tja, das steht nicht umsonst alles im Präteritum.
Es gab einen Eigentümerwechsel. Die frühere Wirtin hatte uns noch versichert „Ich lasse die Rezepte und das Team hier“.
Das hat sie vermutlich auch getan. Nur leider liegen die Rezepte nun ungenutzt in der Schublade.
Als wir im letzten Jahr wiederkamen, war so kurz geworden, dass ich erstmal weiterblätterte und mich schon auf der ebenfalls unerwartet übersichtlichen Getränkekarte wiederfand.
Keines unserer Lieblingsgerichte war mehr da. Nicht mal unsere geliebte gemischte Vorspeisenplatte.
Der Mann und ich waren enttäuscht, aber entspannt. Die Kinder machten lange Gesichter.
Bis dahin war noch alles okay. Ich bin Betriebswirt und verstehe es, wenn ein neuer Eigentümer Veränderungen vornimmt.
Doch dann erlaubten wir uns, die Kellnerin nach einer Kinderkarte oder einfach Pommes zu fragen.
Diese war sichtlich echauffiert über unser unmögliches Ansinnen und erklärte uns
„Wir finden, dass Kinder alles essen können, was auf unserer Karte steht“
Wir zaghaft:
Ja aber früher … vielleicht können Sie …“
Sie, noch echauffierter
„Es gab einen Eigentümerwechsel. Wir finden jetzt, dass Kinder alles essen können, was auf unserer Karte steht. Schauen Sie mal, die gebratenen Champignons kann man fast wie Pommes essen“
Der Tochter entglitten fast die Gesichtszüge.
Der Sohn hat vorsichtshalber getan, als ob er nichts verstanden hat.
Für mich klang das wie „Mit Ihren Sonderwünschen und Ihren komischen Kindern passen sie nicht zu uns“
Oder auch
„Dann sind sie wohl nicht mehr unsere Zielgruppe.“
Kannst Du nachvollziehen, dass unsere Enttäuschung über diese Antwort noch größer war als die Enttäuschung über die geschrumpfte Speisekarte?
Im nächsten Herbsturlaub wird dieses Restaurant von uns keine neue Chance bekommen.
Wie umgehen mit Interessenten, die gar nicht unsere Zielgruppe sind?
Seit dieser Begebenheit löst dieser lakonisch-selbstbewusst hingesagte Satz bei mir einen bitteren Beigeschmack aus.
„Die ist dann eben nicht meine Zielgruppe. Die kann ruhig gehen“
Für den Absender sagt sich das leicht und ist vielleicht sogar gut gemeint.
Für den Empfänger kann sich das ziemlich blöd anfühlen.
Also ich achte schon darauf, dass ich nicht versehentlich Signale aussende, die die falschen Leute anziehen. Ich beschreibe in Fallstudien und Artikeln, wie es ist, mit mir zu arbeiten. Auf meiner Über-mich-Seite sage ich ganz klar, wofür ich stehe und wofür nicht.
Trotzdem passiert es ab und an, dass jemand bei mir im Vorgespräch sitzt, der oder die auf den ersten Blick so gar nicht in meine Zielgruppe passt. Dann nehme ich mir die versprochenen 30 Minuten Zeit. Ich gehe einfach ohne jede monetäre Erwartung in das Gespräch und bin gespannt, was für einen Menschen ich dort treffe.
Meistens wird ein sehr nettes Gespräch daraus.
Manchmal wird ein unerwartet tolles Projekt daraus.
Und wenn nicht, bekommt die Person zumindest ein paar Tipps, bei wem sie besser aufgehoben ist.
Bei mir soll sich niemand so abgelehnt fühlen wie ich letztes Jahr in meinem einstigen Lieblingsrestaurant!
Das ist möglich.
Sieht nicht nach Zielgruppe aus und passt doch
Was ich in diesen Gesprächen mit den vordergründig gar nicht passenden Menschen gelernt habe:
Auch wenn jemand von der Demographie und seinem Online-Auftritt so gar nicht zu mir zu passen scheint, kann er oder sie doch sehr gut passen. Wenn jemand einen Menschen wie mich sucht und bereit ist, sich auf meine Art zu arbeiten einzulassen, dann ist das eine gute Basis. Dann muss er oder sie nicht unbedingt weiblich, im mittleren Alter und Coach oder Berater sein (wie die Mehrzahl meiner Kundinnen).
Um dieses Zueinander-Passen zu erkennen braucht eine Positionierung mehr als das WAS tue ich für WEN. Dafür sind all die Details im Positionierungs-Mosaik wichtig.
Aus dem Grund bin ich auch kein Freund dieser schablonenhaft ausgefüllten Buyer Personas.
Hier findest Du übrigens Tipps zum sinnvollen Definieren und Eingrenzen Deiner Zielgruppe
Wie gehst Du mit Interessenten um, die vermeintlich gar nicht zu Dir passen?

Ich bin Dagmar Recklies und ich unterstütze Selbständige und Solo-UnternehmerInnen dabei, die richtigen Menschen mit den richtigen Angeboten und Botschaften zu erreichen.
Das heißt, ich helfe Dir Deine Positionierung zu entwickeln:
- Wer ist Deine Zielgruppe? Was sind das für Menschen? Wie erreichst Du sie am besten?
- Wofür willst Du bekannt sein? (d.h. wie breit oder spitz stellst Du Dich am besten auf?)
- Warum soll jemand gerade bei Dir kaufen?
- Wofür stehst Du?
- Wie wirst Du interessant, einprägsam und wiedererkennbar?
- und vieles mehr
Weil eine Positionierung allein nichts nützt, schaue ich immer auch auf Dein Marketing, deine Sichtbarkeit und Deine Angebote.
Eva Peters says
Ein schönes Beispiel, liebe Dagmar, die Bedürfnisse der Stammkunden zu ignorieren.
Was die Zielgruppe angeht, sehe ich es ähnlich wie Du. So wurde der 1. Kauf meiner umfassenden 1:1-Beratung von einem Mann getätigt, den ich nicht mal kannte (also es war niemand aus meinem Bekanntenkreis). Aber in meiner Kommunikation hatte ich glasklar Frauen als meine Zielgruppe beschrieben.
Ich war zunächst erstaunt. Aber ich fand und finde es immer wieder wertvoll, jeweils zu gucken, ob es passt. Denn es gibt natürlich viele Faktoren, die eine Rolle spielen in der Zusammenarbeit. Und mit jedem Kunden, der nicht meiner gedachten Zielgruppe entspricht, habe ich meine wahre Zielgruppe weiter verfeinern können, um weitere, tiefergehende Aspekte.
Und was Euer Stamm-Restaurant angeht, wäre ich mal sehr gespannt, ob es mittlerweile nicht erneut einen Besitzerwechsel gegeben hat. Denn Stammkunden auf so eine Weise zu vergraulen, kann nicht gut fürs Geschäft sein.
Liebe Grüße
Eva
Elwine says
Danke für diesen wunderschönen Beitrag, liebe Dagmar!
Kleine Seitenbemerkung:
Ich lese das gerade am zweiten Schultag nach den Sommerferien (!!)
…. Und bei euch war schon Herbsturlaub?! 🍂
Dagmar Recklies says
Bei uns sind die Sommerferien schon einen Monat her. Die Tochter ist im Klausurenstress. Dafür beginnen Anfang Oktober die Herbstferien.
Die Geschichte im Artikel ist vom letzten Jahr.
Wünsche Euch einen schönen Start in den Alltag